Zur Übergabe des hbs Museumspreises 2003
an Ina Prinz, Arithmeum, Bonn am 10. Januar 2003

Schon von weitem springt das farbige Signet im Straßenbild ins Auge, das den Weg zum Arithmeum weist. Auch das Gebäude fällt auf. Die Glasfront zieht die Blicke ins Innere, lenkt sie auf die Rechenmaschinen, auf die Einrichtung und auf die zeitgenössische Kunst.

Dass Universitätsinstitute nicht nur Schätze des Wissens verwahren, sondern auch bedeutende Sammlungen von Exponaten ihrer Disziplinen zu Eigen haben, ist nicht ungewöhnlich. Diese Sammlungen sind selbst Gegenstand von Forschungen und dienen vor allem zur Anschauung bei der Ausbildung der Studenten. Manchmal sind die Sammlungen der Öffentlichkeit kaum zugänglich, manchmal sind sie stundenweise zu besichtigen, eher selten werden ihre Pforten dem Publikum weit geöffnet. Die Leiter oder Kustoden dieser Sammlungen sind Wissenschaftler des jeweiligen Faches, die ihre Disziplin hervorragend beherrschen, ihre Ausstellungspraxis und -ästhetik aber eher beim Einrichten ihres eigenen Wohnzimmers gewonnen haben. So ergibt sich häufig eine Diskrepanz zwischen dem hoch professionellen Umgang mit den wissenschaftlichen Inhalten und einer, um es höflich auszudrücken, weniger professionellen Vermittlung. Es entstehen Ausstellungen von Fachwissenschaftlern für Fachleute, in die sich Besucher nur verirren, wenn das fachliche Interesse ohnehin schon vorhanden ist und nicht erst geweckt werden muss. Zugegeben, dieses Bild ist etwas überzeichnet, aber all zu weit von der Wirklichkeit ist es auch nicht entfernt.

Ganz anders das Arithmeum. Dazu bedurfte es weitsichtiger und glücklicher Weichenstellungen, für die Herr Professor Dr. Korte verantwortlich zu machen ist als Direktor des Forschungsinstituts für Diskrete Mathematik der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn und als Nestor des Arithmeums, das Teil des Instituts ist. Es begann mit der Entscheidung für die sachliche und transparente Architektur für das Institut und damit auch für das Museum, das Arithmeum. Transparenz wurde zu einem sichtbaren Kennzeichen des Hauses. Das war auch für die Sammlung problemlos möglich, weil die meisten der Exponate kaum lichtempfindlich sind.

Eine zweite, ganz und gar ungewöhnliche Entscheidung war von großer Bedeutung: Die Sammlung nicht in die Hände eines jungen Fachkollegen zu geben, – so wäre in fast allen Instituten entschieden worden – sondern in einem mathematischen Forschungsinstitut eine junge Kunsthistorikerin anzustellen und sie mit der Einrichtung und Gestaltung der Ausstellung zu betrauen. Das ist ohne Beispiel, und es war die ideale Voraussetzung für die Realisierung dessen, was im Konzept des Arithmeums schon angelegt war und jetzt konkretisiert wurde:

Die Rechenmaschinen und damit die Geschichte des Rechnens den Besuchern didaktisch und ästhetisch so nahe zu bringen, dass Neugierde geweckt wird und Lernen Freude macht.

Die Rechenmaschinen in Beziehung zu Architektur und Kunst zu setzen und damit einen Dialog zu beginnen zwischen Wissenschaft und Architektur, zwischen Wissenschaft und Innenarchitektur, den Designmöbeln aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, und dem Ausstellungsdesign, zwischen Wissenschaft und zeitgenössischer konkreter und konstruktiver Kunst.

Die Geschichte des Rechnens von den Anfängen bis zu den Mikroprozessoren, zu hochkomplexen Logikchips als Forschungsergebnissen des eigenen Instituts, wird den Besuchern in einem dreistufigen Informationssystem vermittelt, von den Schildern an den Exponaten mit Kurzinformationen über die Texte zu Informationsgruppen bis zu den vertiefenden Texten zu übergeordneten Themen.

An Nachbauten von Rechenmaschinen können Besucher die Funktionen selbst ausprobieren und in einer interaktiven Multimediaschau werden sie zum Mitmachen verlockt. In Führungen und museumspädagogischen Veranstaltungen werden sie in einzelne Themen eingeführt. Die Designmöbel sind nicht etwa Ausstellungsstücke, sondern sollen benutzt werden.

Ein wesentlicher und signifikanter Baustein des Ausstellungskonzeptes des Arithmeums ist die Konfrontation mit zeitgenössischer Kunst. Vierteljährlich finden Sonderausstellungen konkreter und konstruktiver Kunst statt, also von Kunstrichtungen, die zur Mathematik inhaltliche und formale Verbindungen aufweisen. Außerdem gesellte sich zur größten Sammlung von Rechenmaschinen eine kleine eigene Kunstsammlung. Der Dialog zwischen Mathematik und Kunst ist nicht nur ästhetisch außerordentlich reizvoll, er bewirkt auch, dass mathematisch und technisch interessierte Besucher an die Kunst herangeführt werden und Kunstfreunde die Welt des Rechnens entdecken. Abgerundet wird das Veranstaltungsprogramm durch regelmäßige, mit dem Deutschlandfunk gemeinsam ausgerichtete Konzerte.

Das alles ist das faszinierende Programm eines außergewöhnlichen Museums. Und es ist die sehr erfolgreiche tägliche Arbeit von Ina Prinz. Einige der konzeptionellen Bausteine des Hauses waren vorgeformt vorhanden, andere hat sie entwickelt und hinzugefügt. In der gesamten Ausstellung ist ihre Handschrift zu sehen, und die begleitenden Veranstaltungen sind ihr Werk.

Zum Schluss noch ein paar Sätze zu dem Preis und zu der Stiftung, die ihn vergibt. Auf dem großen Feld der Stiftungen ist die Kulturstiftung hbs ein junges und ein kleines Pflänzchen. Sie hat ihren Ursprung in meinem und meiner Frau Entschluss, finanzielle Mittel, wie später auch unser Erbe, einer Stiftung zuzuführen. Nicht Selbstlosigkeit war das Motiv, sondern vielmehr der Wunsch, eigene Pläne zu verwirklichen, etwas anzustoßen, was wir für wichtig halten, und das zu tun, was uns am Herzen liegt. Aus unseren persönlichen Interessen und dem beruflichen Umfeld ergab sich das Betätigungsfeld der Stiftung, die Förderung der Kultur, insbesondere der Museen.

Infiziert wurde ich von der Stiftungsidee während meiner Tätigkeit als Geschäftsführer der Niedersächsischen Sparkassenstiftung in Hannover. Deshalb lag es nahe, die Stiftung als Modell einer Sparkassenkunden-Stiftung anzulegen. Es beruht auf Gegenseitigkeit. Das Stiftungskapital liegt in der Sparkasse, die dafür kompetent und kostengünstig die Stiftungsverwaltung übernimmt, so dass die Erträge fast vollständig dem Stiftungszweck, der Kultur, zugute kommen. Es ist zu hoffen, dass dieses Modell, wie der Stiftungsgedanke überhaupt, viele Nachahmer findet.

Der Museumspreis wird an Kuratoren und Ausstellungsmacher vergeben, also an Leute, die Ausstellungen nicht nur gestalten, sondern vom Inhalt her entwickeln. Sie werden für Ausstellungen unterschiedlicher Fachrichtungen ausgezeichnet. Dabei werden wissenschaftliche Fundierung, Didaktik, Ästhetik wie auch Museumspädagogik und Öffentlichkeitsarbeit beurteilt. Besonders aber soll die ästhetische Vermittlung ungewöhnlicher Ideen ausgezeichnet werden. Die Kulturstiftung hbs verbindet mit der Vergabe des Ausstellungspreises auch das Ziel, jüngere Kuratoren und Ausstellungsgestalter persönlich zu fördern und ihre Arbeit durch eine kompetente Jury öffentlich zu würdigen.

Der Jury gehören an:
Professor Ruedi Baur, Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig
Professor Uwe Fischer, Staatliche Akademie der Bildenden Künste Stuttgart
Dr. Judith Oexle, Landesarchäologin und Museumsdirektorin, Dresden
Dr. Sabine Schormann, Geschäftsführerin der Niedersächsischen Sparkassenstiftung, Hannover
Professor Dr. Karin von Welck, Generalsekretärin der Kulturstiftung der Länder, Berlin
Dr. Heinz Schirnig, Vorsitzender des Kuratoriums der Kulturstiftung hbs

Der Museumspreis 2003 der Kulturstiftung hbs wurde Frau Ina Prinz, M.A., Leiterin des Arithmeums Bonn, verliehen „in Anerkennung ihrer besonderen Leistung, Mathematik anschaulich und authentisch zu vermitteln und den Dialog zwischen Mathematik und Kunst lebendig zu führen.“ So heißt es in der Urkunde.

Heinz Schirnig